Was ist Voodoo
Dieser Text soll eine kurze Einführung ins Thema bieten. Zu näheren Erläuterungen einzelner Aspekte des Voodoo und verwandter Glaubensrichtungen vergleiche bei Interesse die entsprechenden Artikel in diesem Forum.
Voodoo ist eine Religion. Die Sklaven, die im 16. und 17. Jhd. nach Südamerika verschleppt wurden, stammten zum großen Teil aus Westafrika. Natürlich brachten sie ihren eigenen Glauben mit – und natürlich verbaten die katholischen Kolonialisten ihnen, diesen weiter auszuüben. Das Vodun der Fon oder Dahomey, einer Volksgruppe aus Benin, und die verwandten animistischen Religionen anderer westafrikanischer Stämme, konnte nur im Verborgenen weitergeführt werden, vermischten sich und erfuhren so zahlreiche Veränderungen. Der Glaube half den Verschleppten, ihre eigene Identität zu bewahren und, soweit das möglich war, Widerstand gegen ihre Peiniger zu leisten. So bekam die Religion eine neue wichtige Funktion, die sie in ihren Ursprungsländern in dieser Form nicht hatte.
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Außerdem fanden Beeinflussungen durch den Katholizismus statt, den die Sklaven gezwungen waren, äußerlich anzunehmen, sowie durch indianische Traditionen, mit denen sie in Berührung kamen. Zwischen dem afrikanischen Vodun, wie es heute noch in Benin, Ghana oder Togo praktiziert wird und dem nordamerikanischen und karibischen Voodoo existieren dementsprechend einige Unterschiede.
In Entstehungsgeschichte und Inhalten ähnlich, gibt es diverse verwandte Religionen in Südamerika und der Karibik, wie z.B. die kubanische Santeria oder das Brasilianische Candomblé. Als „Voodoo“ bezeichnet man heute die Traditionen Haitis und der Dominikanischen Republik sowie Louisianas, mit New Orleans als „Voodoo-Hochburg“.
Voodoo ist direkter Kontakt mit dem Göttlichen: Wie in jeder Religion, werden im Voodoo Rituale praktiziert. Wie in jeder Religion gibt es Priester oder Eingeweihte, die bestimmte Handlungen vollziehen. Gleichzeitig ist es aber auch jedem einzelnen Gemeindemitglied möglich, einen direkten Kontakt zu den Loas herzustellen. Diese stellen bestimmte Aspekte des einen Gottes dar, der im Voodoo den Namen Bon Dieu oder Bondye trägt. Da ihre Funktion die von Vermittlern zwischen Mensch und dem Göttlichen ist, fällt die Kontaktaufnahme mit ihnen normalerweise leicht. Allein deshalb sollte man mit Voodoo nicht spielen oder aus Langeweile experimentieren, denn Loas können durchaus sehr fordernde Zeitgenossen sein.
Um Kontakt mit einem Loa aufzunehmen, braucht man nicht offiziell dem Voodoo-Glauben beizutreten. Jedoch muss man dabei ein paar Regeln beachten und selbstverständlich den nötigen Respekt aufbringen. Jeder Loa bevorzugt bestimmte Opfergaben (die normalerweise in Lebens- und Genussmitteln wie Tabak, Rum, Süßigkeiten etc. bestehen – Tieropfer sind zwar verbreitet, jedoch nicht zwingend notwendig), hat bestimmte Zuständigkeiten und Charakterzüge.
Die Rituale der Voodoo-Gemeinden sind meist ekstatischer Natur und durch viel Musik und Tanz geprägt. Während solcher Veranstaltungen kann es geschehen, dass ein Loa einzelne Gemeindemitglieder „reitet“, d.h. Besitz von ihnen ergreift. Dies hat nichts mit dem zu tun, was wir in Europa unter (dämonischer) Besessenheit verstehen, sondern bedeutet eine mystische Vereinigung mit dem durch den Loa verkörperten Aspekt des Göttlichen.
Voodoo ist ein spiritueller Weg. Wie jede andere Religion, vermittelt Voodoo ein bestimmtes Bild der Welt, hat bestimmte Ziele und stellt bestimmte Praktiken bereit, um diese Ziele zu erreichen. Dabei unterscheidet man in Haiti zwei Hauptrichtungen: Den Rada- und den Petro-Kult. Während ersterer näher an die ursprünglichen afrikanischen Traditionen anknüpft, in der die Götter vor allem wohltätig sind, ist letzterer jüngerer Natur, stärker indianisch beeinflusst und arbeitet mit „wütenden“ Verkörperungen der jeweiligen Loas. Diese Wut entspringt aus der schrecklichen Lage, in der die Sklaven sich befanden und wurde zur wichtigen Triebkraft der Befreiung.
Dies zeigt, dass ein kriegerischer Loa nicht zwangsweise ein „böser“ Loa ist: Um sich aus einer schlechten Situation zu befreien, braucht es manchmal negative Emotionen wie Wut, um zur Aktion zu schreiten, anstatt still zu erdulden. Im übertragenen Sinne sind auch wir freien modernen Westeuropäer in vielen Bereichen unseres Lebens Sklaven: Sklaven unserer Triebe und Emotionen, Sklaven unserer Erziehung und falscher Glaubenssätze, Sklaven des Systems und der Medien. Sich einmal über diese Form der Sklaverei Gedanken zu machen, könnte ein Ansatzpunkt zur Beschäftigung mit dem Voodoo sein – wenn man bereit ist, die Risiken und Nebenwirkungen in Kauf zu nehmen…