Ein alter Mann und sein Sohn bestellten gemeinsam ihren kleinen Hof.
Sie hatten ein Pferd, das den Pflug zog. Eines Tages lief das Pferd fort.
„Wie schrecklich,“ sagten die Nachbarn, „welch ein Unglück.“
„ Wer weiß,“ erwiderte der alte Bauer, „ob Glück oder Unglück?“
Eine Woche später kehrte das Pferd aus den Bergen zurück,
es brachte fünf wilde Pferde in den Stall.
„ Wie wunderbar,“ sagten die Nachbarn, „welch ein Glück.“
„ Glück oder Unglück. Wer weiß“, sagte der Alte.
Am nächsten Morgen wollte der Sohn eines der wilden Pferde zähmen.
Er stürzte und brach sich ein Bein.
„ Wie schrecklich. Welch ein Unglück!“ „Glück? Unglück . . . ?“
Die Soldaten kamen ins Dorf und holten alle Männer in den Krieg.
Den Sohn des Bauern konnten sie nicht brauchen,
darum blieb er als einziger verschont!
Glück . . . ? Unglück . . . ?
(Eine Sufi-Geschichte)
Ob Menschen eine Situation als Glück oder Unglück erleben, scheint sehr vom Standpunkt des Betrachtenden selbst abhängig zu sein. Glück ist demnach relativ und subjektiv. Wie Menschen Glück empfinden, hat sehr viel mit ihrem augenblicklichen Gefühlszustand zu tun, welcher die Wahrnehmung der Umwelt entscheidend beeinflussen kann. In einer depressiven Stimmung erscheint alles grau, und selbst glückliche Erinnerungen scheinen zunehmend zu verblassen.
Unsere sinnliche Wahrnehmung, insbesondere die Farben, die wir sozusagen „innerlich“ sehen, haben einen merklichen Einfluß auf unsere Gefühlswelt, was sich wiederum in unserer Sprache spiegelt (z.B. auf einer rosaroten Wolke schweben, durch die rosarote Brille sehen, ins Blaue fahren oder grau in grau, düster, trübe, schwarz sehen etc.). Die sogennante Haaresbreite, die Glück von Unglück trennt, hat weniger mit dem Charakter des eigentlichen Ereignisses zu tun, sondern mehr damit, wie wir dieses Ereignis sehen bzw. bewerten.
In Augenblicken, in denen wir uns wohl fühlen haben wir leichteren und direkteren Zugang zu unseren Ressourcen, d.h. wir erinnern uns leicht an positive Erlebnisse, an unsere Stärken und Fähigkeiten. Die Erwartungen in bezug auf die Zukunft sind aus einem solchen Grundgefühl heraus meist positiver Natur. Menschen wissen oft nicht, wie sie ihren augenblicklichen negativen Zustand so verändern können, daß sie wieder Zugriff auf ihre eigenen Ressourcen bekommen. Sie sind schlichtweg blockiert.
Folgende Übung aus der spirituellen Praxis soll veranschaulichen, wie leicht jeder seinen eigenen Zustand positiv verändern kann:
1. Nimm die rechte oder linke Hand und drücke leicht mit Daumen und Zeigefinger der einen Hand die sogenannte ‘Schwimmhaut’ der anderen Hand. Das Drücken dieses Punktes setzt Endorphine (sogenannte Glückshormone) frei, die ein angenehmes Gefühl oder Wohlbefinden verursachen.
2. Erinnere dich an eine konkrete Situation aus deiner Vergangenheit, in der du dich sehr gut gefühlt hast, z.B. an irgendeine Aktivität, Urlaubssituation, Begegnung mit einem Menschen oder an ein Naturerlebnis.
3. Stell dir diese Situation ganz plastisch vor und sehe, was es da alles zu sehen gab. Achte darauf, ob du in dieser Situation irgendwelche Geräusche, Stimmen etc. hören kannst. Zum Abschluß spüre so intensiv wie möglich, was du in dieser Situation gefühlt hast.
4. Nun, wenn du das Gefühl am intensivsten spürst und die Situation ganz plastisch wahrnimmst, drücke ca. 1- 3 Sekunden deinen Punkt zwischen Daumen und Zeigefinger.
5. Mache eine ganz kurze Pause und drücke nach einiger Zeit wieder deinen Punkt. Nimm wahr, wie deutlich die Erinnerung an diese Situation wieder auftaucht (Bild – Geräusch – Gefühl). Meist wird das Gefühl am intensivsten wahrgenommen.
Von jetzt an hast du die Möglichkeit, einen negativen Zustand so zu verändern, daß du wieder Zugang zu deinen dir innewohnenden Ressourcen erhältst, indem du einfach deinen Punkt immer wieder einmal drückst. Diese Übung ist allerdings nicht geeignet, um ernsthaft Probleme zu bearbeiten.
Herzliche Grüße
Sebastian Lichtenberg